Kann so ein Beutel am Bauch wirklich sexy sein?


„Mit dem Stoma lebe ich endlich wieder ein normales Leben.“ Eine 23-jährige Studentin aus Kanada zeigt, dass ein Stoma für sie gar keine große Sache ist.

Abbildung: Uncover Ostomy (Quelle: uncoverostomy.org)Am Anfang waren es nur Bauchschmerzen, ein Jahr später stellten Ärzte in Toronto die Diagnose Morbus Crohn. Damals war Jessica Grossman gerade einmal neun Jahre alt. Sie lebte mit der chronischen Darmkrankheit, die Schmerzen blieben und auf der Toilette war sie irgendwann Dauergast.

Mit zwölf fand ihr Leben eigentlich nur noch im Krankenhaus statt und mit 13 Jahren traf sie gemeinsam mit ihren Eltern die wichtigste Entscheidung in ihrem Leben: auf anraten der Ärzte wurde Jessica der gesamte Dickdarm und ein kleiner Teil des Dünndarms entfernt. Sie bekam ihr Stoma.

Ein neues Leben

Abbildung: Uncover Ostomy (http://uncoverostomy.org)Danach fing für die damalige Schülerin ein neues Leben an, ohne Schmerzen und ohne das ständig eine Toilette erreichbar sein musste. Eine schon nicht mehr gekannte Freiheit wie sie viele Betroffene nach einer Stoma-Operation erleben, die schwer unter einer entzündlichen Darmkrankheit wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa leiden.

In der 12. Klasse stellte Jessicas Lehrer eine besondere Aufgabe, die Schüler sollten für ein Thema ihrer Wahl eine Medienkampagne entwerfen. Die Chance, um ihre eigene Geschichte mit anderen zu teilen. Wenn sie kein Problem mit ihrem Stoma hat, warum sollten es dann für andere ein Problem sein?

Gemeinsam mit ihrem Vater gestaltete sie ein Wandposter, auf dem sie mit nichts weiter zu sehen war als ihrem Stomabeutel und einem strategisch geschickt platziertem Bettlaken … vom Lehrer gab es dafür allerdings nur eine Note 3, war im wohl zu viel nackte Haut. Was Jessica mit ihrer Idee ausdrücken wollte erschloss sich ihm anscheinend nicht.

Uncover Ostomy

Abbildung: Uncover Ostomy (http://uncoverostomy.org)Doch wie das Leben so spielt muss man manchmal einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Für Jessica war das die Begegnung mit einem der Initiatoren der Kampagne IDEAS, die mit außergewöhnlichen Aktionen über das Leben mit und die Folgen von Darmerkrankungen aufklärt. Er griff ihre Idee auf, arrangierte ein professionelles Foto-Shooting und sie starteten unter der Adresse http://uncoverostomy.org/ einen Internet-Blog, eine virtuelles Tagebuch.

Seit dem Welt-Stoma-Tag 2009 schreibt Jessica Grossman dort öffentlich über sich, ihre Erkrankung und ihr Stoma. Und sie präsentiert sich und ihren Beutel am Bauch ganz selbstbewusst vor der Kamera. Für sie das normalste der Welt ist.

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Bisher 6 Kommentare.

  1. Häslein sagt:

    Ein guter Beitrag.

    Steve Jobs sagte einmal, dass die Computer einfach nicht sexy genug seien… ein paar Änderungen an der Optik und gute Werbung, der Rest ist Geschichte.

    Genauso könnte man eine Stomanlage verkaufen. Eine entsprechende mediale Präsentation, ein schlagkräftiges Argument, z. B. „viel hygienischer als…“ und Angelina Jolie mit Stoma… dann wäre es „hip“… und auch völlig Gesunde ließen sich ein Stoma anfertigen.

    Ähnlich einer Brustvergrößerung, Fettabsauugung, usw. Verkaufen lässt sich mit guter Strategie alles, auch ein positives, sexy Stoma Image. Davon bin ich fest überzeugt.

    Man muss einfach von der Mitleidsschiene weg… man geht mit Stoma anders zur Toilette, nicht mehr und nicht weniger! Mehr Selbstverständlichkeit bitte.

  2. Hermine sagt:

    Kann so ein Beutel am Bauch sexy sein? So lange er nicht voll mit Stuhl ist, vielleicht. Was nicht wirklich sexy ist.

    Hier wird der Eindruck erweckt, dass ein Stoma etwas vollkommen Harmloses ist. Statt wirklich aufzuklären wird hier verniedlicht und könnte im schlimmsten Fall jemanden, der die Wahl zwischen Stoma und einer anderen Behandlung hat, dazu verleiten, einen irreparablen Fehlschritt zu machen.

    Was Jessica da macht, ist eine gute Sache, und hilft vor allem jungen Menschen, ihr durch ihre Darmkrankheit zerstörtes Selbstbewußtsein wieder zu erlangen! Aber in diesem Zusammenhang könnte man leicht auf den Gedanken kommen, dass alle Stomaträger Simulanten und Jammerlappen sind, denn ein Stoma ist ja nix weiter als „eine andere Art, aufs Klo zu gehen“. Das sag ich mir das nächste Mal, wenn ich unter der Dusche stehe, weil der Beutel versagt hat. Ich hätte gerne Aufklärung ohne Augenwischerei. Auf die Mitleidsschiene möchte ich auch nicht, aber Verständnis, das hätte ich schon gerne. Und das geht nur mit ehrlichen, knallharten Informationen, denn die meisten wissen gar nicht, was ein künstlicher Darmausgang ist.

    Ein ganz normales Leben damit zu führen einschließlich Sex zu haben, ja, das wünsche ich mir und anderen Leidensgenossen auch. Leider bin ich davon so weit weg, wie ich mir nie hätte vorstellen können.

    Trotzdem vielen Dank für die tolle Arbeit, die hier geleistet wurde.

  3. Hann70 sagt:

    Wir lesen ja immer wieder, wie jeder Stomaträger seine ganz eigene Geschichte hat. Ich denke, auch von dieser Geschichte ist es abhängig, wie jeder sein Stoma annimmt oder nicht. Irgendwie arrangieren müssen wir uns alle damit, aber damit glücklich sind wir deshalb noch lange nicht.

    Auch nach 4 Jahren mit dem Stoma ist die Versorgung an meinem Bauch für mich ein Fremdkörper. Wenn auch die Pannen mit der Zeit seltener werden – es gibt sie. Ich empfinde Ekel, muss mitten in der Nacht duschen, Wäsche waschen, die Wasser- und Stromrechnungen steigen…

    Ich möchte auch kein Mitleid. Verständnis bekomme ich. Aber ein „Freund“ wird das Stoma für mich nie werden.

    Man kann und sollte es auch versuchen, so normal wie möglich mit dem Stoma zu leben, aber das Stoma selbst als „normal“ anzusehen, sehe ich auch als Schönfärberei.

    Darüber reden zu können, dafür sind das Stoma-Forum wie auch diese Aktion eine gute Sache und verdienen Anerkennung und Respekt.

  4. Erwin Tiere sagt:

    Hallo alle ihre Stoma oder Beutelträger.
    Es ist ja schön wie hier den Betroffenen Mut gemacht wird .
    Doch Fakt ist das ein Stoma etwas unnatürliches ist, ein FremdKörper ist. Für Leute die eines chronische Darmerkrankungen haben oder Darmkrebs haben , habenicht keine andere Chance mehr.
    Ich habe vor ca. 14 Wochen infolge einer Sigmatesektion
    bekommen , weil die Ärzte zu spät reagiert haben zu spät operiert haben. Und es dann zu einer Notoperation gekommen ist .Die OP wurde nach Hartmamn gemacht. Ich hasse dieses Stoma es ist für mich ein FremdKörper. ZumaL damit sehr viele Einschränkungen verbunden sind . In der FreizeIT im Sport und sonst im Alltag . Und essen darf man auch nicht mehr alleso
    Ich habe noch die Chance der Rückverlegung.
    GRUß ERWIN

  5. Elisabeth Brötzner sagt:

    Hallo ihr Lieben,ich möchte euch kurz etwas mitgeben.Mein Tochter ist 16 und hat seit einem Jahr ein Ileostoma.Ali hat Colitis ulcerosa in einem extrem schweren Verlauf.Seit der Diagnose vor 4 Jahren war sie 2 Jahre im Krankenhaus, x-mal Bluttransfusionen, Ernährung über die Vene……das ließe sich noch fortsetzen?.Voriges Jahr dann die Mitteilung der Darm muss raus.Sie hatte da mit 15 Jahren 34 kg. Menschen mit CED kennen die Situation immer zu denken wo ist das WC,kein normales Leben führen zu können,keine sozialen Kontakte….. Dann kam der Tag der OP und seit diesem Tag lebt Ali wieder? alles was sie vorher nicht machen konnte macht sie mit Stoma, Therme, Urlaub,Kino,segeln,Freunde treffen,shoppen,einfach ALLES. Und es ist schön zu sehen wie toll sie alles macht. Ich bin stolz auf sie und liebe sie unendlich ❤️❤️❤️❤️❤️❤️

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